STADION-
VERBOTE

Was sind eigentlich Stadionverbote?

Ein Stadionverbot ist gemäß den Richtlinien des DFB ein Hausverbot welches auf zivilrechtlicher Grundlage ausgesprochen wird um „zukünftiges sicherheitsbeeinträchtigenden Verhalten“ der jeweiligen Personen zu vermeiden.Ein Stadionverbot ist somit (zumindest aus Sicht des DFB) keine Strafe, auch wenn es auf die Betroffenen wie eine Strafe wirkt. Bestraft werden darf in einem Rechtsstaat, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist, nur wer durch ein Gericht rechtskräftig verurteilt wurde.

Wann und gegen wen werden in der momentanen Praxis Stadionverbote ausgesprochen?

Ein Stadionverbot wird meistens kurze Zeit nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die betroffene Personen ausgesprochen, wenn der Tatvorwurf in Zusammenhang mit einem Fussballspiel oder der Anreise oder Rückreise von bzw. zu diesem Spiel stand.

Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens heisst jedoch nicht, dass der jeweilige Betroffene wirklich einer entsprechenden Tat schuldig ist. Es bedeutet lediglich, dass die Polizei einen Verdacht gegenüber diesem hat, und deshalb Ermittlungen aufgenommen, d.h. Beweise gesammelt und Zeugen vernommen werden. Anhand dieser Beweise kann sich z.b. auch der Fall insoweit klären, als dass die Unschuld des Betroffenen festgestellt wird oder es keinerlei Beweise gibt die eine Schuld des Betroffenen nahelegen würden. In solchen Fällen wird das Verfahren in der Regel eingestellt, da es Prozess vor Gericht unzweifelhaft zu einem Freispruch des Beschuldigten führen würde. Hier gilt von staatlicher Seite aus die Unschuldsvermutung, nämlich dass der Angeklagte so lange als unschuldig gilt, bis seine Schuld eindeutig bewiesen wurde.

Diese Unschuldsvermutung (ein Grundprinzip unseres Rechtssystems) überträgt der DFB jedoch nicht auf seine Stadionverbotsrichtlinien, in welchen die Betroffenen zunächst präventiv Stadionverbote erhalten und diese Verbote dann selbst bei einer Einstellung des Verfahrens nicht zwingend aufgehoben werden müssen! (Wer das nicht glauben mag, darf gerne einmal einige Betroffene der Polizei- und Ordnerattacken in Duisburg 2004 zu diesem Thema befragen).

Nur wenn ein Gericht einen Freispruch feststellt, soll das Stadionverbot gemäß DFB-Vorgaben aufgehoben werden müssen. Da die meisten Verfahren wegen Unschuld, Geringfügigkeit oder fehlenden Beweisen eingestellt werden kommt es jedoch garnicht erst so weit. Und selbst wenn, ist ein Großteil der Dauer des Verbots bei Verfahren die sich jahrelang hinziehen können schon vollzogen, sodass ein Freispruch den Betroffenen in dieser Beziehung meist nicht mehr viel nützt.

Der DFB benutzt also die Möglichkeit des Aussprechens eines präventiven Hausverbots durch die Vereine als jeweilige Hausrechtsinhaber um auch Personen die noch nicht durch eine Gericht verurteilt sind von Fussballspielen der ersten bis dritten Liga auszuschließen.

Welchem Zweck sollen Stadionverbote dienen?

Hierzu zitieren wir einfach mal §1 Absatz 2 der „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ des DFB, die gemäß Lizenzvereinbarung für die Vereine und Kapitalgesellschaften der ersten bis dritten Liga bindend sind: „Zweck des Stadionverbots ist es, zukünftiges sicherheitsbeeinträchtigendes Verhalten zu vermeiden und den Betroffenen zu Friedfertigkeit anzuhalten, um die Sicherheit anlässlich von Fussballveranstaltungen zu gewährleisten.“ Fragen wir uns nun ob dieser Zweck wirklich erfüllt wird, so kann man sicherlich einige kritische Wirkungen von Stadionverboten beleuchten.

Sicherlich kann der Betroffene im Stadion nicht mehr sicherheitsbeeinträchtigend wirken, da er ja einfach nicht mehr im Stadion sein darf und die Einhaltung dieses Verbots auch sehr genau überprüft wird (z.B. durch szenekundige Beamte und/oder den Ordnungsdienst). Trotzdem kann sich eine Person mit Stadionverbot noch an sicherheitsbeeinträchtigenden Aktionen im Umfeld von Fussballspielen beteiligen. Diese geschehen ja größtenteils auch ausserhalb des Stadions, weil dort keine Trennung der Fangruppen erfolgt und unter Umständen weniger Polizei und Ordnungskräfte anwesend sind. Wird dem Betroffenen nun also auch noch die Möglichkeit genommen IM Stadion aktiv zu sein, ob durch Konsumieren des Spiels, Anfeuern der eigenen Mannschaft, Schwenken von Fahnen oder Treffen mit den Personen aus seinem bisherigen fussballbezogenen sozialen Umfeld, so bleiben nur Alternativen AUSSERHALB des Stadions.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betroffener hier in ein Umfeld gerät in welchem „sicherheitsbeeinträchtigendes Verhalten“ an der Tagesordnung ist ist weitaus größer als im Stadion selbst. Es ist also fraglich ob der Zweck eines Stadionverbots erreicht wird, wenn diese vorverurteilend, unverhältnismäßig lange und ohne Möglichkeiten der Wiedereingliederung des Betroffenen ausgesprochen werden.

Wie wirken Stadionverbote auf die Betroffenen?

Stadionverbote haben eine zumeist tief einschneidende Wirkung auf die Welt des in der Regel jugendlichen Betroffenen. Gerade als Jugendlicher leben viele ihr Fan-Dasein oft etwas extremer aus, als Personen die sich mit Mitte 50 eine Sitzplatzdauerkarte kaufen und nur in ihrer Freizeit ein nettes Fussballspiel sehen wollen. Fussball, der eigene Verein und die Kurve stellen zumindest zum Teil fast eine Art Lebensinhalt dar (wenn auch nicht der Einzige, dann jedoch ein sehr wichtiger Teil des Lebens). Nicht nur lang anhaltende Freundschaften werden geschlossen und ein soziales Umfeld entsteht, auch das ehrenamtliche Engagement für den Verein, die idealistische Unterstützung der eigenen Mannschaft, eine Begeisterungsfähigkeit die manch Anderer sein Leben lang nicht nachvollziehen und verstehen kann und der Integrations- und Sozialisationsfaktor den eine aktive Fankurve leisten kann sorgen dafür dass der eigene Verein, der Fussball einen immens wichtigen Platz im Leben des jungen Fans einnimmt.

Das Verbot bedeutet einen Einschnitt in diese Entwicklung, die oftmals zu einer Entfremdung vom eigenen Klub führt oder zu einer Neuorientierung in Richtung Hooliganszene. Das passiert zumindest dann, wenn der Betroffene keinen anderweitigen Anschluss in der Kurve hat, sei es eine Gruppe/Fanclub oder Freunde diezu ihm stehen und ihn auch weiter in das Geschehen rund um den eigenen Verein einbinden. Wie massiv ein Stadionverbot auch psychisch auf Einzelne wirken kann, zeigte 2003 der Fall Brian Inn, ein Bielefelder Fan der sich nach der Aussprache eines 5-jährigen bundesweiten Stadionverbots das Leben nahm (vgl. http://freshmaker.block3.de/brian.htm). Sicherlich ein sehr krasses Beispiel, aber es zeigt, dass jeder Verein auch die eigene Verantwortung gegenüber seinen Fans nicht unterschätzen darf und somit auch sehr vorsichtig bei der Vergabe von solchen Verboten sein sollte.

Wie stehen wir als Ultras zu Stadionverboten?

Es gibt (zumindest meiner Meinung nach) auch berechtigte Stadionverbote. Allerdings steht für uns fest, dass Stadionverbote momentan zu willkürlich, zu schnell und unverhältnismäßig lange ausgesprochen werden. Auch wird zu wenig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Verbote gegen Auflagen auszusetzen. Diese gesamte Handhabung führt dazu, dass Stadionverbote allgemein immer stärker in der Kurve in Frage gestellt werden.

Was können wir tun?

  • Setzt euch aktiv in eurem Verein für eine gerechtere Praxis bei der Vergabe von Stadionverboten ein.
  • Unterstützt Personen mit Stadionverbot, wenn ihr denkt dass diese zu Unrecht ausgesperrt sind und/oder bei ihren Anstrengungen einen Weg zurück in die Kurve zu finden.
  • Fordert nicht gleich Stadionverbote für Alles und Jeden sondern setzt euch kritisch mit den Einzelfällen auseinander.
    Setzt ein Zeichen der Solidarität gegen unberechtigte Stadionverbote (z.b. durch Shirts, Spruchbänder, Fahnen oder Gesänge im Stadion).
  • Integriert betroffene Personen aus eurem Umfeld weiterhin und sogar verstärkt in eure Aktivitäten um ihnen neuen Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass sie auch weiterhin dazugehören.
  • Setzt euch auch bundesweit für eine gerechtere Regelung bei der Vergabe von Stadionverboten ein, z.b. bei bundesweiten Demos, dem Fankongress des DFB, …